Samstag, 24. Januar 2009
 
Soziale Arbeit im Spannungsfeld struktureller Gewalt PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Rosalia Krenn   
Freitag, 4. April 2008

Eine Sozialarbeiterin über gegenwärtige Tendenzen der Ökonomisierung.

Institutionelle soziale Arrangements wirken in ihrer Struktur stigmatisierend, das Stigma ist in die Sozialarbeit eingeschrieben Die Art des In-Kontakt-Tretens mit institutionellen Arrangements ist immer mit Stigmatisierung und Diskreditierung verbunden. Die sozialen Organisationen können strukturell als Orte der Transformation von „Armen“, „Kranken“, „Behinderten“, verstanden werden, da ihnen durch das Aufsuchen der Einrichtung Attribute wie „arm“, „krank“, „behindert“ bewiesen werden, und zwar unabhängig von der konkreten Interaktion mit SozialarbeiterInnen. „Sozialarbeiterische Fachlichkeit war immer schon ambivalent, und sie diente immer schon auch der Sicherung von Herrschaft. Sie war und ist Teil des Herrschaftskalküls. Eine Idealisierung der staatlichen und subventionierten Sozialarbeit ist nicht angebracht. Einige Beispiele aus der Geschichte .... die repressive Funktion der Jugendwohlfahrt als Instrument der Unterdrückung gegenüber proletarischen Lebensweisen; Sozialarbeit als Instrument der Aussonderung im Nationalsozialismus.“ (Peter Pantucek).

Es geht darum, welche Rahmenbedingungen gegenwärtig Stigmatisierungen, Hilfsverweigerung und Respektlosigkeit auf der Interaktionsebene begünstigen. Unter dem Stichwort ‚Ökonomisierung des Sozialen’ werden die negativen Auswirkungen des Neoliberalismus diskutiert: der Staat folgt einer neoliberalen Regierungsrationalität, mit Privatisierung, Deregulierung und Flexibilisierung der Arbeits- und Beschäftigungsstrukturen werden von den Menschen Wertvorstellungen wie Nutzenmaximierung, Flexibilität und Selbstverantwortung eingefordert. Aus neoliberaler Perspektive haben sich die Handlungsbereiche der Sozialpolitik auf eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit hin zu orientieren und sich in die Wirtschaftspolitik einpassen zu lassen. Bausteine neoliberaler Sozialmodelle sind Formen sogenannter ‚aktivierender Sozialpolitik’ die Ursachen und Verantwortung für soziale Probleme individualisieren und auf ‚Selbstverantwortung’ bauen. Wesentliches Element der Einpassung sozialer Arbeit in die neoliberale Wirtschaftsstruktur ist die Umstellung der Fördermittel, sind Umstellungen von Subventions- auf Leistungsverträge, Auslagerungen oder Vergabeverfahren. Angesichts des gegenwärtigen ökonomischen Primats führt der Druck zum kostengünstigen und wettbewerbsfähigen Angebot zu einer Minderbewertung fachlicher Kriterien. Beobachtet kann ein Mangel an ganzheitlicher Wahrnehmung einer Person, die Unterstützung benötigt, werden, es kommt zur Reduktion auf einzelne für die sozialarbeiterische Intervention als erfolgversprechend betrachtete Aspekte. Die Quantifizierungstendenzen und der Druck zur Quote führen zu neuen Kategorisierungen von Personengruppen in „gute“, „anpassungsfähige“ „erfolgreiche“ einerseits und „schlechte“, „unangepasste“ „gescheiterte“ andererseits. Mit diesen Zuschreibungen werden ökonomische Maßstäbe wie Selbstverantwortung, Aktivität, Effizienz, Produktivität betont und negativ bewertete Ausprägungen wie Passivität, Ineffizienz oder Unproduktivität als Kategorien der Diskreditierung und Stigmatisierung geschaffen. SozialarbeiterInnen sind gefordert, möglichst rasche Differenzierungen vorzunehmen, es kann in Zwangslagen nicht ausgeschlossen werden, dass SozialarbeiterInnen auf eigene möglicherweise moralisierende Norm- und Wertvorstellungen zurückgreifen, die ihrem Berufsethos widersprechen. Der ökonomische Druck wird empfunden und weitertransportiert.

„Gesellschaftlich organisierte Hilfe ist nötig, kann aber auch schaden, ausgrenzen, vernichten. Eine Soziale Arbeit, die sich als Profession und Wissenschaft von den Bedingungen der Wirksamkeit gesellschaftlicher Hilfe versteht, wird Kritik nicht abwehren, sondern interessiert und engagiert aufnehmen und für die Weiterentwicklung ihrer Wissensbasis verwenden. Ohne die Eigenaktivität der Menschen ist Soziale Arbeit selbst hilflos. Hilflose Soziale Arbeit ist repressive Soziale Arbeit.“ (Pantucek)

< zurück   weiter >